Geschichte des Kleingärtnerverein Kiel.-Holtenau e. V.
von
Bernd Vogelsang
stellvertretender
Vorsitzender und Schriftführer
Kiel,
13. Juli 2017
Die
Geschichte des Kleingärtnerverein Kiel-Holtenau kann mit
historischen
Protokollen bis in das Jahr 1917 zurückverfolgt werden.
Die
erste bekannte Vorstandssitzung des damaligen
„Obst-
und Gartenbauverein Holtenau und Umgegend“
fand
am 24. Januar 1917 statt. Die erste Mitgliederversammlung folgte dann
am
17.
Februar. Wann genau der Verein gegründet wurde ist unbekannt. Wie er
genau strukturiert und organisiert war kann man den Protokollen nicht
entnehmen. Es gab jedenfalls monatliche Vorstandssitzungen und
Mitgliederversammlungen.
Der
Vorsitzende unterzeichnete mit „Bleich“
der Schriftführer mit „W. Hollmann“.
Welchen
Berufsstand die Mitglieder des Vereins hatten ist nicht überliefert.
Bereits
am 2. Februar 1915 hatte der preußische Innenminister
Friedrich
Wilhelm von Loebell die Stadt- und Landgemeinden darauf hingewiesen:
„…,
wie wichtig es ist, über die Zwecke des Gartenbaus hinaus alle
bisher ertraglosen kommunalen Grundstücke im kommenden Frühjahr für
die Volksernährung, sei es zur Erzielung von Gemüse, sei es zum
Körner- oder Hackfruchtbau, nutzbar zu machen.“
Obst
und Gartenbauvereine waren für die Ernährung der Bevölkerung
wichtig:
„Man
zog heimisches Obst und Gemüse nicht zum Spaß,
sondern
aus schlichtem Hunger“.
Die
Auswirkungen des Weltkrieg I und eine Missernte von Getreide
und Kartoffeln im Jahr 1916 führten zu einer Hungersnot. Es
gab keine Kartoffeln, dem wichtigsten Nahrungsmittel der damaligen
Zeit.
Die
Folge war der Hungerwinter 1916/17 auch als
„Steckrübenwinter“ bezeichnet.
Die
Steckrübe, eine Kohlart, war das einzige Nahrungsmittel für große
Teile der Bevölkerung.
In
der Landgemeinde Holtenau im Kreis Eckernförde war es
allerdings nicht so dramatisch wie in Kiel. Die „Hufner“
(Bauern) und Häuser hatten zum Großteil eigene Gärten für die
Selbstversorgung mit Obst und Gemüse und es gab ja auch noch den
Gartenbauverein. Dass in Holtenau stationierte Militär, im Fort
Holtenau und die Marineflieger der 1. Seefliegerabteilung, hatten
vorgesorgt. Sie hatten volle Lager mit Lebensmitteln vor allem
Kartoffeln.
Die
Hungersnot war in Holtenau also nicht so gravierend.
1917
ist der Verein dem Zentralverein
für
Gartenbau für
Kleingärtner und Obstbauern in Schleswig-Holstein beigetreten,
denn man versprach sich dadurch:
„allerlei
Annehmlichkeiten z. B. Verträge, Zeitschrift für den Obst- und
Gartenbau, Besichtigungen u. a. m.“
Später
war er Mitglied im Ortsverband Kiel und
dem
Reichsverband der Kleingartenvereine
Deutschlands und zwangsweise im
Reichsbund
der Kleingärtner und Kleinsiedler.
Der
Verein hatte damals vor allem mit der Beschaffung von
Pachtland, Sämereien, Saatkartoffeln und Düngemitteln zu
kämpfen. Auch Felddiebstähle sowie verwilderte
Gärten waren an der Tagesordnung.
In
der Vorstandssitzung vom 5. März 1917 wurde festgelegt:
„Die
nächste Versammlung soll sich mit dem Stellen von Nachtwachen
beschäftigen. Dieselben ergeben sich aus den vermehrten
Felddiebstählen, welche sich auch auf unsere Gärten bemerkbar
machen.“
Im
Protokoll der Vorstandssitzung vom 11.01.1918 findet sich
folgender Satz:
„
Die
gelieferten Saatkartoffeln sind so schlecht ausgefallen, daß man sie
mit dem Namen überhaupt nicht bezeichnen dürfte. Die Mitglieder
verweigerten die Annahme und der Verein sah sich gezwungen, die
Kartoffeln dem Lieferanten wieder zur Verfügung zu stellen.“
Im
Sommer 1922 wurde bei einer
festgestellt das:
„Einige
Mitglieder von Holtenau sollen Aufforderung erhalten, ihr Land sofort
von Unkraut zu säubern, widrigenfalls Kündigung erfolgt.“
Im
Protokoll der Vorstandssitzung vom 18. Oktober 1922 wird über
folgendes berichtet:
-
Eingemeindung Holtenaus mit der Stadt Kiel und Einrichtung einer Kleingartenamt-Nebenstelle (Zuständig für Holtenau, Schusterkrug und Pries-Friedrichsort.)
-
die Belohnung über Anzeigen von Felddiebstählen soll von 20,00 Mark auf 200,00 Mark erhöht werden
Eingemeindung
Holtenaus nach Kiel:
In
§ 3 des Nebenvertrags war festgelegt worden:
„Die
Stadt Kiel verpflichtet sich, den von der Gemeinde Holtenau
angelegten Sportplatz spielfähig zu erhalten und die von der
Gemeinde Holtenau vom Reichsfiskus gepachteten Ländereien auch
fernerhin für Kleingärten zu erhalten, sofern nicht das Land für
Industriezwecke benötigt oder vom Fiskus
zurückgefordert
wird.“
Bei
der Mitgliederversammlung am 05.06.1923 hatte der Verein 562
Mitglieder.
In
Holtenau gab es damals Pachtland von Privateigentümern, Bauern und
vom Fiskus (Kaiserliche
Reichs Werft). Namen waren:
Grothsche
Stücke, Westenhof Koppel, Petersen Koppel, Mölten Koppel,
Fliegerhorst Koppel, Stormsche Koppel, Voßbrook Koppel und die
Röpstorffsche- und Arpsche Koppel im Schusterkrug.
Im
Sommer 1923 wurde erneut klage
geführt:
„Über
Landangelegenheiten kamen die Übelstände der Wegereinhaltung zur
Sprache und der 1. Vorsitzende (I. Jöhnk, Anm.d.Verf.) wird hier mit
aller Schärfe vorgehen, da es nicht angehen kann, daß durch das
Abwehen der Unkrautsamen die Parzellen der Mitglieder gefährdet
werden.“
1925
wurde
der Bedarf für einen Landflughafen
immer
größer. Man begann man
mit
der Einebnung des Geländes des ehemaligen Fort
Holtenau. Es
wurden Gebäude und Hallen errichtet. Ob dabei auch Pachtland der
Kleingärtner verloren ging ist nicht belegt.
1927
Gründung der Kieler Flughafengesellschaft (KFG) ,
und der Landflughafen Kiel wurde in Betrieb genommen. Betreiber war
mal eine Gesellschaft, also zivil, mal das Militär.
In
der Mitgliederversammlung vom 27.06.1928
wird dann die erste
Satzung
des
Obst-und Gartenbauvereins Holtenau und Umgegend beschlossen
und in das Vereinsregister
des Preussischen Amtsgerichts Kiel unter der Nr. 463 eingetragen.
Vorsitzender: Otto
Braunschweig, Jaegerallee 18
Kassierer: Hans
Stange, Wendenburgstraße 30
Schriftführer: Karl
Hoffmann, Herwarthstraße 142
Weitere
Unterschriften:
Hermann
Möller, Harm, Wilhelm Schulz, Hans Schmüser, Wilhelm Fischer,
Jos.
Kuhlmann, C. Bock und Heinrich Schlink.
Alles
Namen die man immer wieder im Vorstand mitgearbeitet haben.
Am
15.09.1931
folgte eine Satzungsänderung (kleingärtnerische Nutzung):
„§
3 Mitgliedschaft neuer Abs. 3.
Das
vom Verein gepachtetes Gelände darf jedoch nur kleingärtnerisch
genutzt werden. Gewerbsmäßige Nutzung ist verboten.“
-einstimmig
angenommen-
(lt.
Protokoll wurden gemeinnützig anerkannte Kleingartenbauvereine vom
Regierungspräsidenten aufgefordert ihre Satzungen dahingehend
zu ändern, daß eine gewerbsmäßige Nutzung des Vereinsgeländes
verboten ist“)
1933
unmittelbar nach der Machtübernahme durch Adolf Hitler wurde der
"Reichsverband der Kleingärtner in den
"Reichsbund
der Kleingärtner und Kleinsiedler" umgewandelt.
Im
ganzen Reich begann die "Gleichschaltung" der
Kleingärtnerorganisationen.
Ab
Mitte 1933 wurden die Vorstände der Schrebergartenvereine nicht mehr
demokratisch gewählt. Den einzelnen Vereinsvorständen durften
nur noch "nationalsozialistische und deutschnationale
Gartenfreunde" angehören. Entsprechende Neuwahlen waren bis zum
18. Mai 1933 durchzuführen.
Ende
1933 "erließ" der Reichsbund reichseinheitliche
Vereinssatzungen, wonach Vereinsfunktionäre nicht mehr gewählt,
sondern durch "die übergeordnete Stelle berufen"
wurden. Aus Vereinsvorsitzende wurden "Vereinsführer".
Aus
dem Obst- und Gartenbauverein Holtenau und Umgegend wurde der
Kleingärtnerverein
Kiel-Holtenau.
„Erinnerung an den Kleingarten - Ausflug Holtenau 1938“
(Foto von A. Karpawitz Kiel-Friedrichsort, Prieser Strand 14, zur Verfügung gestellt von Fa. Mogensen, Holtenau) |
Ab
1941
sind wieder Protokolle
von Vorstandssitzungen bekannt. Unterschrieben vom Vereinsleiter
„Haberland“
und dem Schriftführer
„Heinrich“.
Nach
1945 entwickelte sich der Kleingärtnerverein Kiel-Holtenau
wieder zu einer festen Größe im gesellschaftlichen Leben in
Holtenau. Es wurden wieder demokratische Strukturen eingeführt.
Das Vereinsleben nahm einen ähnlichen Aufschwung wie nach 1918.
Heute
ist der Verein ein wichtiger sozialer Treffpunkt.
Als
Naherholungsgebiet für die Bevölkerung der Landeshauptstadt Kiel
sind die Kleingärten unverzichtbar.
Natur-
und Umweltschutz gehören für die Mitglieder zum täglichen Alltag.
Langjährige
Vorsitzende des Kleingärtnervereins nach 1945 waren:
Emil
Heinrich
Max
Gerusel
Erwin
Jacobs
Ulrich
Graykowski und Joachim Schmökel.
Es
kamen Pachtflächen hinzu es
gingen Pachtflächen verloren.
z.B.:
Neue
Gärten:
an
der Prinz-Heinrich-Brücke: Nixenweg- und Schießstandkoppel,
entlang
des Flughafen: Flughafenkoppel (heute: Immelmann, Gerusel und
Eekbrook)
am
Friedhof: Fliegerhort- und Stormschekoppel.
Abgegeben
wurden Flächen:
Westenhof-
und Neue Westenhofkoppel für Wohnbebauung Groenhoffweg und heutige
Förde Sparkasse, Schulzekoppel für das Kurt-Engert-Haus,
Schießstandkoppel für die Olympiabrücke 1972, Nixenwegkoppel für
Tennisplätze des TuS Holtenau, Gärten am „Toten Arm“ für
die Schleusenwiese und die Repeningkoppel in Stift.
Der
Kleingärtnerverein Kiel-Holtenau e. V. hat heute 390 Mitglieder,
er ist
Mitglied des Kreisverbandes Kiel der Kleingärtner e. V.
verwaltet Pachtland mit insgesamt
398 Parzellen in
9 Anlagen/Koppeln/Gemeinschaftsflächen.
Mitglied des Kreisverbandes Kiel der Kleingärtner e. V.
verwaltet Pachtland mit insgesamt
398 Parzellen in
9 Anlagen/Koppeln/Gemeinschaftsflächen.
Sie
liegen westlich, nördlich und östlich der Wohngebiete Holtenaus
zwischen Nord-Ostsee-Kanal, Flughafen und Kieler Förde.
Grundstückseigentümer
sind:
Landeshauptstadt
Kiel:
Petersen-
(74 Parz.), Schulze- (9), Nixenweg- (65), Immelmann- (51), Gerusel-
(42) und Eekbrookkoppel (9); lt. Generalpachtvertrag von 2013 =
106.441 m2
Bundesanstalt
für Immobilienaufgaben:
Fliegerhorst-
(80) und Stormschekoppel (38)
Gemeinde
Altenholz:
Schießstandkoppel
(30)
Der
Verein ist in das Vereinsregister des Amtsgerichtes Kiel unter Nr. VR
1747 eingetragen und ist gemeinnützig im Sinne des Vereins- und
Kleingartenrechts.
Zur
Zeit wird eine 2. Erschließung von Holtenau Ost (ehem.
Marinefliegergelände im Unterland) mit einer
Ortsumgehung geplant. Wenn sie Wirklichkeit wird, dann gehen
mal wieder Kleingärten verloren.
Was
einmal aus den Gärten entlang des Flughafens wird, wenn nach der
Verlegung des MFG 5 auch der Flugplatz aufgegeben werden
sollte, ist offen.
Der
Vorstand des Kleingärtnerverein Holtenau war von Beginn an Männer
dominiert. In den Unterlagen finden sich nur zwei Frauen und zwar:
1992
Erika Wyrwich als Rechnungsführerin und
2003
Ursula
Graykowski
als stellvertretende Vorsitzende.
Seit
2011
wird
der Verein von Hans
Oelrich
geführt, der bereits 1993 erstmals ein Vorstandsposten übernommen
hat.
Am
Schluss möchte ich Marta
Back
erwähnen,
die
bereits im
Jahre 1900 in Holtenau
die
2.
Obst-
und Gartenbauschule des Kaiserreichs gegründet
hatte.
Die
Schule war ein „Institut für Frauen und Mädchen gebildeter
Stände“.
Sie
war für die
damalige Zeit revolutionär und
ist
ein Zeugnis von den Anfängen der Gleichberechtigung von Mann und
Frau in Kiel und in Deutschland.
Denn:
„Kaiserzeit
war Männerzeit: schneidiger Schnurrbart, stramm sitzender Rock,
selbstbewusster Auftritt. Um standesgemäß zu reüssieren,
investierte der gutbürgerliche Mann unverhältnismäßig hohe
Summen. Gäste wurden im Salon hinter gründerzeitlicher
Prunkfassade empfangen. Die repräsentative Gattin servierte
mehrgängige Diners und beförderte so die Karriere des Herrn
Gemahls. Die gutbürgerliche Frau war von Beruf Gattin, die familiäre
Vorherrschaft hatte der Mann inne.“
(ZEIT-ONLINE
Mai 2013)
Der
Standort der Schule war in der Kastanienallee
18,
dem heutigen Gemeindezentrum der ev. luth. Kirchengemeinde
Holtenau.
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